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Warum wir mehr linke Ökonomen brauchen

Von Matthias Weber

Während es in der Sonntagsfrage und bei der Beliebtheit der Politiker in den letzten Jahren Aufs und Abs gab, gab es bei sämtlichen Meinungsforschungsinstituten bei einer Frage immer das selbe Ergebnis. Auf die Frage, nach der wirtschaftlichen Kompetenz gibt die Mehrheit der Bürger an, die CDU wirtschaftlich für kompetenter zu halten als die SPD.

Nun stellt sich natürlich die Frage, warum das so ist. Auf diese Frage würde ich spontan Antworten, weil die CDU öfter ökonomische Argumente verwendet. Dies ist womöglich so, weil in der CDU einfach mehr Menschen sind, die ein wirtschaftswissenschaftliches Studium genossen haben. Angenommen dies trifft zu. Warum hat die Konservative mehr professionelle Ökonomen in ihren Reihen? Liegt es in der Sache an sich? Verträgt sich Ökonomie einfach besser mit konservativen Werten als mit linken? Sicher nicht. Zum Beispiel ist das Thema soziale Gerechtigkeit seit jeher das Herzstück sozialdemokratischer (oder genereller: linker) Politik; und wir als VWL-Studenten oder in sonst irgend einer Art und Weise der Ökonomie nahe stehenden Menschen wissen – oder sind meistens zumindest überzeugt davon -, dass die beste Ausbildung, um später in der Politik ein bisschen mehr soziale Gerechtigkeit durch zu setzen, wohl die eines Studium der Volkswirtschaftslehre ist.

Warum stürmen also die jungen motivierten und politisch engagierten Leute, von denen es genügend gibt – und die meistens der linken Hälfte des politischen Spektrums zuzuordnen sind -, nicht die wirtschaftlichen Fakultäten um dort zu studieren? Wer sich die Mühe macht, politisch interessierte Abiturienten oder Studenten zu fragen „willst Du nicht VWL studieren?“ oder „warum hast Du nicht VWL studiert?“, der wird meistens als erstes einen etwas angewiderten Gesichtsausdruck ernten und dazu etwas zu hören bekommen wie „damit kann ich gar nichts anfangen“ oder „mir ist Geld nicht so wichtig“. Lustigerweise bekommt man so etwas auch von Leuten zu hören, die Politik oder Entwicklungszusammenarbeit studieren. Die Volkswirtschaftslehre hat in Deutschland also ein Imageproblem (in anderen Ländern ist dies übrigens weitaus weniger der Fall); und dieses Imageproblem bei sozial oder alternativ denkenden Menschen wird aus folgendem Grund eher größer, als kleiner: Die VWL hat bei ihnen ein schlechtes Ansehen, im Gegensatz zu Vertretern der politischen Rechten oder zu FDP-Anhängern. Nun studieren wenige der ersten Gruppe, aber viele der zweiten ein wirtschaftswissenschaftliches Studium und so sieht man später, dass auffällig oft Ökonomen konservative oder neoliberale Werte vertreten. Und idealistische und begabte Abiturienten sind dadurch noch abgeschreckter als zuvor.

Wir brauchen aber Ökonomen, die sich nicht dem Konservatismus oder Neoliberalismus verpflichtet fühlen, um die Probleme Deutschlands in den Griff zu bekommen. Die Antworten von CDU und FDP zum Thema Arbeitslosigkeit stehen bisher zumindest halbwegs. Sie lauten Liberalisierung und Abbau sozialer Leistungen. Dies geht einher mit einem weiteren auseinander Driften von Arm und Reich. Selbst wenn manche dieser Maßnahmen notwendig sind, will und darf ein grüner oder sozialdemokratischer Politiker dies nicht als vollständige Lösung akzeptieren. Davon abgesehen: Wenn wir in Deutschland eine fruchtbare politisch-wirtschaftliche Diskussion auf hohem Niveau haben möchten, können wir in allen politischen Lagern nicht auf engagierte Ökonomen verzichten.

Nun der nächste Schritt: Wie können wir dieses Problem lösen? Der einfachste und vor allem effektivste Weg wäre wahrscheinlich, Wirtschaft – oder konkreter Volkswirtschaftslehre – als Schulfach einzuführen, wie es schon in anderen europäischen und außer-europäischen Ländern besteht. Dies hätte zudem den großen Vorteil, dass zumindest jeder Abiturient über ein (natürlich sehr beschränktes, aber immerhin) ökonomisches Basiswissen verfügen würde. Bis dahin ist es aber voraussichtlich noch ein weiter Weg – nicht zuletzt aus dem Grund, dass die meisten Lehrer eher dem linken Spektrum zuzuordnen sind und sich deshalb wohl sehr dagegen sträuben würden. Was nicht heißt, dass es sich nicht lohnen würde, sich dafür einzusetzen!

Wer sich aber nicht mit Briefen oder E-Mails an die verschiedenen werten Kultusminister wenden möchte, dem bleibt noch eines: Der Versuch, in Gesprächen, die immer wieder auftauchen, klar zu machen, dass Volkswirtschaftslehre nichts mit Konservatismus oder Neoliberalismus zu tun hat. Und mit Überzeugung zu rufen: Denkt nach, seid kreativ, studiert VWL!

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