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Fitzenberger angekommen!

Von Johannes Vatter

Trotz zahlreicher Veranstaltungen, die bereits seit Monaten erfolgreich laufen, musste die Fakultät bis gestern Abend auf die Antrittsvorlesung von Herrn Prof. Fitzenberger warten. Das Ausharren hat sich gelohnt.

Das Auditorium, angefüllt mit den Bekannten und Verwandten des Neulings, den Professoren und Honoratioren, Assistenten, Freunden und Studenten der Fakultät, sollte sich auf etwas gefasst machen. Denn Prof. Fitzenberger nahm nur wenig Rücksicht auf das eigentlich beginnende Wochenende. Anstelle einer Freitagabend-Show flankiert mit simpler Arbeitsmarktstatistik wurde etwas anderes serviert: Nach einer etwas kraftlosen Willkommensrede unseres Vizedekans, tritt das neue Mitglied der Fakultät ans Rednerpult. Es ist jener Herr, den man bereits seit Wochen auf den Fluren des KGII umher schreiten sieht, meist unscheinbar gekleidet, mit wenig Hang zum Exzentrischen, aber immer zielstrebig und energiegeladen. Ein gedeckter Anzug, eine schlichte Brille, keine charakteristische Frisur und doch eine gewisse Ausstrahlung von Präzision und Geisteskraft. Ein paar kurze, eher holprige Eingangssätze über das „Window of Opportunity“, das sich für ihn in der Berufungskommission ergab, und die glückliche Entscheidung nach Freiburg gekommen zu sein, dann beginnt der Vortrag von einem der wohl begabtesten Arbeitsmarktökonomen, die es in Deutschland derzeit gibt. „Mehr Aus- und Weiterbildung: Löst dies die Arbeitsmarktprobleme in Deutschland?“, ein Titel, der eine präzise Fragestellung beinhaltet, so möchte man meinen. Fitzenberger lässt sich jedoch Zeit. Über 25 Minuten verwendet er, um die Problemstellung zu spezifizieren und sie in eine geordnete Struktur zu überführen. Die Genauigkeit dieses perfektionistischen Sozialwissenschaftlers ist dabei überzeugend. Fitzenberger warnt vor übereilten Urteilen, hinterfragt Kausalitäten und trennt wichtige Fragestellungen sauber von einander. „Eine Diagnose zu erstellen ist eine Sache, Politikempfehlungen sind aber nochmal etwas vollkommen anderes.“ Schließlich geht er in seinen Heimathafen, die Statistik, über und stellt verschiedene Studien vor, die er gemeinsam mit Assistenten und Kollegen in den vergangenen Jahren durchgeführt hat. Bisher hatte der Großteil des Publikums noch das Gefühl jeden Gedankenschritt mitzuverfolgen. Als die ersten Formeln des methodischen Spielfeldes, auf dem sich Fitzenberger bewegt, an die Wand projeziert werden, trennt sich die Spreu vom Weizen. Multiple Kohortenkurven und statistische Zeitreihen verlangen den Zuhörern manches ab. Die empirischen Resultate jedoch waren wieder für alle zugänglich und mitunter erstaunlich. So weist Herr Fitzenberger beispielsweise mittels der sogenannten „Shift-Share Analyse“ nach, dass der Rückgang der Nachfrage nach unqualifizierten Arbeitskräften im Kern in allen Branchen und Sektoren stattfand und kaum wegen des bekannten Strukturwandels oder der Ausgliederung mancher Branchen nach Fernost. Überhaupt scheut Fitzenberger sich nicht davor nach großem ökonometrischen Aufwand prägnante Zahlen zu liefern. So hätte es, laut seinen Berechnungen, einen Anstieg des Preisniveaus um genau 9,4% ohne Lohnausgleich bedurft, um das Versprechen der Halbierung der Arbeitslosigkeit zu erfüllen. Es folgen weitere interessante Ausführungen über die Auswirkungen von aktiver Arbeitsmarktpolitik und dem dualen Ausbildungssystem. In der Art eines Chirurgs der empirischen Wirtschaftsforschung zerlegt er einzelne Maßnahmen und operiert solange bis ein sehr differenziertes eklektisches Bild des Aufbaus von Humankapital in allen Bereichen der Gesellschaft entsteht. Mehr Engagement im Kindesalter, soziale Kompetenzen oft wichtiger als Fachkompetenz, Weiterbildung nicht in allen Fällen, sondern eben nur wo es sich lohnt… Nach rund 75 Minuten hat man das Gefühl eine Fülle von Informationen und Wissen erhalten zu haben und zwar, das ist das Entscheidende, relativ saubere Information, eben empirisches Wissen. Neben der etwas trockenen Vortragsweise und gelegentlichen rhetorischen Kanten bleibt der Eindruck einer mehr als professionellen Methodik und einer erstklassigen Forschungs- und Lehrmoral. Herr Prof. Fitzenberger ist eine echte Bereicherung für die Fakultät, herzlich willkommen!

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