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Ein Gedankenexperiment zum Mindestlohn…

Von Volker Lindenthal

Heiß diskutiert auf der Straße und am Stammtisch, nun auch endlich eingefangen von der Redaktion des Zunehmenden Grenznutzens…

Was passiert eigentlich, wenn man den Lohn in einem Sektor anhebt, der nicht abwandern kann, in dem also die Nachfrage nach Arbeit vollkommen unelastisch wäre? Warum sollte man glauben, daß hier Arbeitslosigkeit entstehen wird? Wie sollte man denn mit Arbeitskräften, die in einem Billiglohnland arbeiten, unsere Straßen und Häuser sauber bekommen, in unseren Supermärkten kassieren, unsere Briefe verteilen, unsere Haare schneiden oder dergleichen?

Wir beziehen uns also ausdrücklich auf Arbeiten, die hier am Ort zu verrichten sind und nicht ausgelagert werden können. Der Einfachheit halber werden auch mögliche Substitutionseffekte durch erhöhten Technologieeinsatz ausgeschlossen (Beispielsweise einen automatisierten Supermarkt oder Putzroboter)

Kurt (59) der bei der Straßenreinigung in Rheinland-Pfalz arbeitet möchte mehr Lohn. Doch nehmen wir einmal an, daß er bisher mit seiner Produktivität entlohnt wurde und somit die Einführung eines Mindestlohns auch eine Umwälzung der höheren Lohnkosten einen Preisanstieg der Dienstleistung zur Folge hätte. In der kurzen Frist könnten wir zunächst eine höhere Kaufkraft ausgehend von Kurt und seinen Mindestlohnkumpanen beobachten, doch über die Zeit hin würden die übrigen Bewohner begreifen, daß ihr Realeinkommen gesunken ist, da sie höhere Beträge für Kurts Arbeit bezahlen müßten, und daraufhin höhere Lohnforderungen stellen. Somit wäre weiterhin eine Bildungsprämie garantiert, die Anreize zu einer Erhöhung des eigenen Humankapitals gibt, und es träte kein Abwanderungseffekt von Arbeitern, die derzeit in der Nähe von Kurts zukünftigen Mindestlohns liegen, in Kurts Sektor auf. In der langen Frist würden sich also die Löhne der Gesamtbevölkerung anpassen, was negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes mit sich zöge: Im hier nicht betrachteten Sektor, dessen Arbeit ins Ausland verlagerbar wäre, würden natürlich auch höhere Lohnforderungen auftreten, die in Preise abgewälzt würden und so die Wettbewerbsfähigkeit gefährden würden. Somit könnten die Exporte sinken und die Importe steigen. Arbeit würde verloren gehen und in Länder verlagert, die eine bessere Wettbewerbsfähigkeit aufwiesen. Um diesem Trend vorzubeugen, müßte die Währung abwerten und im Endeffekt würde man wieder im Ausgangsfall sein, nur, daß nominal höhere Löhne gezahlt würden. Im Euroraum ist allerdings eine Abwertung nicht möglich, ein Land wie Deutschland, das den Großteil seines Handels innerhalb dieser Zone betreibt, würde an Boden verlieren und somit wäre hier ein negativer Effekt für die Beschäftigung der Gesamtbevölkerung zu verzeichnen.

Gehen wir davon aus, daß in einem Discount-Supermarkt der Freiburger Innenstadt Frau Schätzle (46) als Supermarktkassiererin arbeitet. Nehmen wir weiter an, es handele sich beim Arbeitsmarkt der SupermarktkassiererInnen um einen Arbeitsmarkt, auf dem eine Situation ähnlich einer Monopsonsituation herrsche, also Marktmacht auf seiten der Arbeitsnachfrager und nicht auf Seiten der Anbieter läge. Führte man nun einen Mindestlohn auf einem Niveau überhalb des Monopsonlohns und unterhalb des Schnittpunkts von Wertgrenzprodukt der Arbeit und Arbeitsangebot ein, so könnte man durchaus eine positive Beschäftigungserhöhung erwirken. Die mögliche Lohn-Preis-Spirale würde auf diesem Weg nicht losgetreten und die oben beschriebenen Effekte nicht einsetzen. Stattdessen würde Frau Schätzle ein höheres Einkommen zur Verfügung haben, von dem sie mehr konsumieren könnte.

Fraglich ist nun, ob positiver oder negativer Beschäftigungseffekt für die Bevölkerung überwiegen könnte. Es bliebe zu untersuchen, in welchen Sektoren eine Einführung eines Mindestlohns keine gravierend negativen Folgen mit sich zöge, sondern eine Monpsonsituation durchbrechen könnte. Ein allgemeiner Mindestlohn bleibt vor diesem Hintergrund allerdings weiterhin fraglich…

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