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Liberal, asozial, ganz egal?

von Matthias Weber

In den meisten Ländern werden die Begriffe intellektuell und liberal miteinander assoziiert. In der Tat ist es so, dass viele Intellektuelle (den Umständen entsprechend) sehr liberale Ansichten vertreten. In den USA kann man die Intellektuellen fast sicher den Demokraten zuordnen, im Iran stehen die meisten Intellektuellen hinter den Reformern und auch in der Geschichte Europas waren sehr viele Intellektuelle „liberal“. Aber was ist denn nun Liberalismus? Wikipedia gibt uns folgende Antwort: Liberalismus (lat. liber: frei, lat. liberalis: die Freiheit betreffend, freiheitlich) ist eine Geisteshaltung sowie die darauf aufbauende politisch-philosophische Lehre und politische Ausrichtung, die die individuelle Freiheit als normative Grundlage der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung anstrebt.

Was heißt das? Für mich heißt das vor allem das folgende: Wir überlassen es jedem Menschen selbst, sein Leben zu gestalten und seine Lebensweise frei, ohne äußere Zwänge, zu wählen.

Nun verbinden wir in Deutschland das Wort „liberal“ gerne mit einer bestimmten Partei, die sich in den neunziger Jahren – um ihren Gemeinsinn zu unterstreichen – einmal „Partei der Besserverdienenden“ genannt hat. Wahrscheinlich haben wir diese Assoziation nicht zuletzt deshalb, weil sich diese Partei auch „die Liberalen“ nennt. Auf den ersten Blick scheint das schlüssig: Jeder darf mit seinem Leben tun und lassen, was er will, natürlich genauso mit dem Geld, dass er oder sie verdient hat. Also Steuern runter und weniger Staat, weniger Staat, weniger Staat!

Man muss nun nicht das uralt-Zitat (von dem schon niemand mehr weiß, woher es stammt – mich eingeschlossen) „die Freiheit des Einzelnen hört dort auf, wo sie die Freiheit der Anderen beschränkt“ bemühen, um zu sehen, dass es auch für die Freiheit Grenzen gibt. Manchmal erwarten wir, dass der Staat eingreift. Wir als VWL-Studenten (oder Ähnliches) kennen auch die Theorien über Externe Effekte, Öffentliche Güter und Asymmetrische Information – und wir sehen, wenn wir die Welt um uns genau betrachten, dass diese Dinge nahezu allgegenwärtig sind. Unser Wissen über sie sagt uns, dort brauchen wir einen Staat. Was sind das für Dinge? Oft geht es dabei um die Bereitstellung von Geld. Es geht um die Finanzierung von Bildung (wenn man – wie ich – dieser bedeutende externe Effekte unterstellt), Infrastruktur,  Krankenversicherung, usw. Aber nicht nur – Umweltverschmutzung zum Beispiel ist Teil der Öffentlichen-Güter-Problematik und hat in erster Linie nichts mit Finanzierung zu tun.

Nun stecken wir in gewisser Weise in einem Dilemma. Auf der einen Seite der Wunsch nach Liberalismus, auf der anderen die Einsicht, dass wir ab und zu einen starken und handlungsfähigen eingreifenden Staat brauchen. Wie gehen wir mit diesem Dilemma um?

Hier meine – für mich eigentlich auf der Hand liegende – Antwort: Lasst uns so liberal wie möglich sein und uns für einen Staat eintreten, der sich aus dem Privatleben seiner Bürger raus hält. Für einen Staat, der im Grunde jedem Menschen erlaubt, so zu leben, wie er es für richtig hält; aber lasst uns auch für einen starken, kompetenten und durchsetzungsfähigen Staat eintreten, der nicht zögert einzugreifen, wenn es um Marktversagen oder Menschenrechte geht.

Konkret heißt das für mich: Homo-Ehe? Ja, bitte! Aktive Sterbehilfe? Ja, bitte! Legalisierung von Cannabis? Ja, bitte! Marktwirtschaft? Natürlich – aber eine geregelte Marktwirtschaft! Eine soziale Marktwirtschaft mit einem starken Staat, der regelt, lenkt und gestaltet, wenn es nötig ist; das heißt wenn es zum Beispiel um die Existenz und die Finanzierung unserer Schulen, unserer Kindergärten und Universitäten, unserer Straßen und Spielplätze, unserer Krankenversicherung oder um unsere Umwelt geht. Und natürlich mit einem starken Staat, der bereit und in der Lage dazu ist, die dafür notwendigen Steuern einzutreiben.

 

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