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Wettbewerb für alle, nur bitte nicht für uns!

Der Markt stellt für die meisten Professoren unserer Fakultät die einzig wahre Ordnung dar, die Bekanntgabe von Evaluationsergebnissen ist ihnen jedoch zu brisant.

Von Johannes Vatter

Der Student, der seinen „Selbstwert“ seit der Grundschule von Zahlen zwischen 1 und 6 repräsentiert sieht, hat sich an ein marktwirtschaftliches Evaluationssystem weitgehend gewöhnt. Professoren und Dozenten müssen sich wie es scheint erst wieder an die ständigen Bewertungen ihrer Leistungen gewöhnen und können sehr viel schlechter damit umgehen. Aber auch Studenten müssen lernen Feedback-Schleifen konstruktiv zu nutzen.

Ganze Reihen von Studenten durch Klausuren fallen zu lassen, bedarf einer einleuchtenden Begründung. Vielleicht steigt ja die Reputation unserer neuen Masterstudiengänge oder es wird verhindert, dass jemand im falschen Hörsaal studiert. Bei Erfolgsquoten von teilweise unter 40% drängt sich allerdings die Frage auf, inwieweit Studenten nur als Herde lästiger und fauler Nichtskönner wahrgenommen werden. Sinnvoll kann so etwas jedenfalls nicht sein, weder im Haupt- noch im Grundstudium. Wer nur die Eliten unterrichten will, soll doch bitte in einen Türsteher investieren und einen angemessenen Eignungstest erstellen! Während der Theatervorstellung die Hälfte der Gäste rauszuschmeißen, die übrigens einiges für den Spielplan bezahlt haben, klingt nicht nach einer souveränen Publikumspolitik. Es kann einem Studenten kaum gut bekommen, nach sechs durchaus erfolgreichen Semestern VWL (trotz erheblichem Lernaufwand) dreimal durch die gleiche Prüfung zu fallen. Das schafft weder Motivation für ein anderes Studium, noch für den vierten und letzten Versuch und erst recht nicht für den Arbeitsmarkt. Es nagt am Selbstbewusstsein und verdirbt die Laune.

Genau wie manchem Studenten oder zumindest ähnlich dürfte es manchem Dozierenden ergehen, wenn die Evaluation mäßig oder gar katastrophal ausfällt. Insbesondere dann, wenn dieser sich Mühe gegeben hat, was leider nicht unbedingt für alle zutrifft. Aber so ist das nun mal in einer Marktwirtschaft. Leute werden entlassen, ob sie sich bemühen oder nicht. Selbst durchaus profitable Arbeitskräfte straft der Markt. Verglichen mit den Arbeitern in Bochum genießt ein VWL Professor jedoch noch einzigartige Protektionsklauseln. Er ist nicht nur Beamter und verfügt somit über einen sozialistischen Kündigungsschutz und ein ausgezeichnetes soziales Netz, er hat auch eine ausgeprägte Marktmacht: Für Studenten ist es heutzutage jedenfalls sehr viel einfacher den Stromanbieter zu wechseln als den Anbieter spezifischer Vorlesungen. Und wer nicht will, muss möglichen Investoren nicht einmal einen Blick in seine Bilanzen gewähren. So liegt die Evaluation des letzten Sommersemesters (laut Auskunft des Dekanats auf Wunsch einzelner Herren) in gut bewachten Schränken des KG2. Als zukünftiger Ökonom sollte ich an dieser Stelle wohl auf die daraus resultierenden Verzerrungseffekte und Moral Hazard-Probleme hinweisen. Der Markt braucht Wettbewerb und jede Menge Transparenz, nur so kommen wir doch ins Paretoparadies, oder?

Ehe ich endgültig polemisch werde, möchte ich betonen, dass ich sehr gut nachvollziehen kann, weshalb man sich vor einer öffentlichen statistischen Demütigung sträubt – dem Evaluationspranger. Vollkommen klar, dass sich, wer kann, quer stellt und eine Veröffentlichung verhindert. Schließlich haben unsere Lehrer die Zeugnisse auch nicht in der Schule ausgehängt, wobei wir Schüler auch keine Anbieter von komplexen Dienstleistungen waren und damit auch keine externe Rechenschaftspflichten hatten, aber gut. Wie auch immer, es ist wohl kein Leichtes die Gefahr der didaktischen Blöße in monetären Einheiten auszudrücken, aber für eine rauschende Studentenparty würde es wohl reichen. Und wenn es nach mir ginge, sollte es zu dieser Party gerne kommen, denn worin bestünde der Sinn in einem „Wer lehrt am besten und wer müsste eigentlich entlassen werden“ – Ranking? Damit rachsüchtige Studenten sich über die Abstiegsplätze lustig machen können und die Sieger selbstherrlicher werden? Auf diese Weise wird der Markt kaum eine seiner Kernkompetenzen, die Disziplinierung, umsetzen können! Es bestehen ohnehin kaum Abwanderungsoptionen. Eher führt es wie bei den Studenten, die regelmäßig an Prüfungen scheitern zu Verdruss und Resignation. Statt einer solchen „Haudrauf-Methode“ muss alles getan werden, um Professoren dafür zu interessieren, wie gute Lehre funktioniert, selbstkritisch zu sein und sich weiterzuentwickeln (obwohl sie nicht mit marktwirtschaftlichen Regeln spielen). Durchaus überlegenswert wäre höchstens die jährliche Beglückwünschung der drei Lehrstärksten. Noch idealer wäre aber nicht ein eisernes Wettrennen zwischen den Dozierenden, bei dem die Mehrheit nach wenigen Bahnen aufgibt, sondern ein Klima des Austausches und der gegenseitigen Bereicherung. Immerhin haben wir ja eine ganze Reihe von sehr fähigen Dozenten, bei denen man sich eine Scheibe abschneiden kann – Herr Nitsch, um ein positives Beispiel zu nennen, hat es in der letzten Makroveranstaltung auf einen Klopfapplaus von stolzen 44 Sekunden gebracht, 44!, so lange muss man erst mal kalt duschen.

Wir brauchen eine konstruktive Feedbackkultur und keinen Markt!

Jedes Management-Buch gibt Auskunft: „As with other forms of learning, feedback has a powerful effect on behaviour and job performance by improving role perceptions, ability, and motivation…“ Das ist aber nur der Fall, wenn das Feedback in einer brauchbaren Form dargeboten wird und der Empfänger sich für Kritik öffnet, d.h. unser studentisches Feedback muss spezifisch und ehrlich sein, aber auf keinen Fall beleidigend. Es sollte regelmäßig (am besten jedes Semester) und zeitnah erfolgen. Vor allem sollte es aber so geformt sein, dass es Punkte anspricht, die vom Empfänger tatsächlich angegangen werden können, also relevant sind… Möglicherweise können wir auf diesem Wege zukünftigen Studenten am besten dienen und mit ein bisschen Glück sogar noch uns selbst. Sollten jedoch keine Bemühungen der betroffenen Dozierenden erkennbar sein, die auf eine Verbesserung der Lehre hoffen lassen, soll der Markt über sie herfallen, wie sie es allen anderen täglich wünschen!

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