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Professor Rehkugler im Gespräch Teil 1. Über Zukunftspläne, seine Jahre in der freien Wirtschaft und eine mögliche Ausrichtung der Fakultät

ZG: Herr Professor Rehkugler, es freut uns mit Ihnen ins Gespräch zu kommen, vor allem auch, weil Sie wahrscheinlich nicht mehr ewig unserer Fakultät erhalten bleiben werden. Daher die Frage für die Studenten vorab: Wie lange kann man noch auf Ihre Lehrkompetenz bauen?

Definitiv bis zur Pflichtgrenze 31.3.2009. Das ist also gerade noch das kommende Wintersemester. Ich habe aber einen Antrag beim Ministerium auf ein weiteres Semester laufen.

ZG: Das heißt, Sie verweilen an der Universität bis einschließlich Sommersemester 2009?

Ich stelle mich darauf ein, dass ich auch im Sommersemester lehren werde. Sicher ist es nicht und wenn ich nicht bald erfahre, dass die Verlängerung meiner Dienstzeit in Ordnung geht, werde ich meinen Antrag zurückziehen. denn der eigentliche Hintergrund für diesen Schritt liegt weniger bei mir. Ich denke da an meine Mitarbeiter. Einige meiner Mitarbeiter werden bis zum Frühjahr nächsten Jahres möglicherweise mit ihren Arbeiten noch nicht ganz durch sein und denen möchte ich ausreichend Zeit einräumen.

ZG: Dann haben Sie und ihre Assistenten also noch ein Jahr Zeit. Was haben Sie sich vorgenommen für diese Zeit? Welche Ziele haben Sie im Hinblick auf Lehre und die Fakultät?

Was die Fakultät betrifft, habe ich eigentlich keine Ziele mehr. Ich hänge mich nun ein wenig aus dem Fenster: Ich hab die letzten Jahre versucht, ein bisschen Einfluss darauf zu nehmen, in welche Richtung sich unsere Fakultät bewegt. Ich sag es mal ganz vorsichtig: Die Fakultät hat sich nicht gerade meinen Vorstellungen angeschlossen. Ich sehe mich in dem Punkt als lame duck und halte mich aus der zukünftigen Entwicklung der Fakultät völlig raus. In der Lehre hingegen habe ich noch einiges vor. Die Studenten fragen ja nach ganz bestimmten Veranstaltungen. Bilanzanalyse wird z.B. seit Jahren nicht mehr regelmäßig angeboten. Da werde ich auf jeden Fall nochmal ein Angebot machen, wobei ich die Vorlesung gedanklich noch nicht genau positioniert habe. Es wird sich zwischen Jahresabschlussanalyse und Kreditwürdigkeitsprüfung abspielen.

ZG: In diesem Wintersemester?

Im Wintersemester, richtig.

ZG: Wenn Ihre Pensionierung näher rückt im kommenden Jahr, was sind Ihre Überlegungen für danach? Werden Sie nochmal ein Unternehmen gründen oder beratend tätig sein?

Sie müssen wissen, an der Fakultät hängen zwei Dinge, die von Interesse sind. Das eine ist das Zentrum für Business & Law. Eine Gemeinschaftsgründung der Juristen und der Ökonomen. Hier werde ich mich im Rahmen des Masters Estate Planning betätigen. Dieses Masterprogramm gilt es nun zu etablieren und auf die Beine zu stellen. Das Professoren-Team (Blaurock, Kessler, Merkt, Raffelhüschen und Rehkugler) ist sicherlich kein schlechtes. Und so wie es aussieht, bleibt uns auch Herr Merkt von der juristischen Fakultät erhalten, der neben seinem Namen einen sehr wichtigen Baustein einbringt.
Das zweite, was an der Fakultät als Institut an der Universität hängt, ist ja die DIA, die Deutsche Immobilien Akademie. Es handelt sich um ein Institut an der Universität, das eigentlich im Grunde fast eine einseitige Lieferung bringt. Das heißt, die DIA unterstützt die Fakultät mit sehr ordentlichen finanziellen Mitteln – letztlich Drittmittel. Aber abgesehen von einer überschaubaren personellen Betätigung fließt da eigentlich nicht viel zurück. Diese Unterstützung ist aber auch vom Vertrag eindeutig geknüpft an immobilienwirtschaftliche Forschung. Und damit könnte ein Problem für die Zukunft auftauchen. Wenn sich die Fakultät diese immobilienwirtschaftliche Forschung natürlich gar nicht mehr „leistet“, bleibt die Frage, was aus dem Kooperationsvertrag wird. Ich sehe sowohl bei der Nachfolge von Herrn Francke als auch bei meiner eigenen Nachfolge leider keine Bemühungen, dieses Thema aufzunehmen. Dennoch gibt es natürlich genug zu tun. Die DIA ist originär eine Fortbildungsinstitution, aber auch eine Forschungsinstitution. Da werde ich mich jeweils betätigen. Möglicherweise werden sich da Kooperationen in anderer Richtung auftun, begehrt ist das allemal.
Was meine „Ruhestands“-tätigkeiten betrifft, braucht man sich also keine Sorgen zu machen. Zudem bin ich Aufsichtsratsvorsitzender eines börsennotierten REITs, bei dem ich außerdem ein klein wenig eingebunden bin. Ich bin weiterhin Leiter der Expertengruppe Immobilien bei der DVFA. Da machen wir gerade ein schönes Buch zur „Immobilie als Kapitalmarktprodukt“, das wird mich auch weiter beschäftigen. Also das berühmte Loch nach der Pensionierung wird nicht kommen. Ich habe auch noch so fünf, sechs weitere Buchideen… Die wird man gar nicht mehr alle realisieren können in der Zeit.

ZG: Das heißt also, im Grunde bleiben sie Ihrer Linie treu. Sie werden weiter forschen, weiter schreiben, weiter lehren?

Das ist natürlich alles eine gesundheitliche Frage. Das ist immer die große Nebenbedingung. Solange die Gesundheit in Ordnung ist, funktioniert alles, aber das kann sich so schnell verändern und dann verschieben sich die Prioritäten ganz schnell.

ZG: Sie sind als BWLer hier unter Volkswirten. Hätten Sie die Wahl, würden Sie sich selbst nochmal für ein betriebswirtschaftliches Studium entscheiden?

Das ist eine interessante Frage, die ich mir übrigens damals, als ich selbst studiert habe, nicht gestellt habe. Für mich war damals klar, dass ich BWL studiere und nicht VWL. Ich hab damals auch keine rechte Vorstellung gehabt wie die meisten, die Ökonomie studieren. Und die Betriebswirte haben meist noch weniger Ahnung als die Volkswirte von dem, was die Wirtschaftswissenschaften ihnen überhaupt an Möglichkeiten bieten, worum es geht, was man da eigentlich studiert. Früher hieß es, ja ok, wenn Du von Mathe keine Ahnung hast und dir sonst nichts Vernünftiges einfällt, dann studierst Du BWL oder Jura. Die Einstellung besteht aber auch heute noch und das zwickt mich auch von Zeit zu Zeit, denn viele, die hier studieren, sind im Grunde für die Ökonomie nicht geboren worden, die haben dann manches brav auswendig gelernt, aber letztlich nicht gelernt, wie wir Ökonomen denken. Wahrscheinlich würde ich mich irgendwo zwischen BWL und VWL positionieren. Wir haben in München damals – ich habe in München studiert – eine ziemlich schlechte VWL-Ausbildung gehabt, da träume ich geradezu von der hier. Mehr volkswirtschaftliche Hintergründe hätten mir wohl nicht geschadet. Aus meiner Sicht ist es auch sehr wichtig, dass ein Betriebswirt eine saubere, solide volkswirtschaftliche, gesamtwirtschaftliche oder weltwirtschaftliche Ausbildung hat.

ZG: Angenommen Sie wären Mitte 20 und würden jetzt Betriebswirtschaftslehre abschließen. Was wäre, wenn Sie jetzt nochmal die Möglichkeit hätten, neu anzufangen? Auf welchen Zug würden Sie aufspringen?

Als Forscher denke ich, die Musik spielt in den nächsten 10, 20 Jahren, vielleicht auch noch länger, ganz eindeutig im Bereich Behavioural Economics. Das wird schnell kommen und zwar weit über das hinaus gehen, was aus den letzten Jahren an Behavioural Finance und ähnlichem Literatur aufgetaucht ist – wir müssen uns zur Psychologie umdrehen. Selbst das ist eigentlich schon zu kurz gegriffen. Man müsste heute gleich in Richtung Neuro-economics gehen. Es wird sich alles im Netzwerk von Biologie, Neurowissenschaften, Psychologie, Soziologie und eben auch Ökonomie abspielen. Hier fährt der Zug in die Zukunft. Der rein quantitative Bereich wird sicher auch noch eine ganze Weile fruchtbar sein, aber ich glaube von Zeit zu Zeit, das hier auch viel Methode ohne Theorie verbacken wird. Es wird ja mit furchtbar vielen oft sehr komplexen ökonometrischen Methoden auf alles Mögliche geschossen, was nicht in Deckung geht. Und wenn man dann fragt, was wolltest Du eigentlich für ein ökonomisches Problem lösen? Und was sind das überhaupt für Annahmen? Dann bekommt man nicht immer überzeugende Antworten. Ich meine, dass der andere Weg in Richtung Behavioural uns in eine bessere Richtung führen würde. Wir hätten als Universität aus meiner Sicht die Chance, auf diesen Zug aufzuspringen. Ich glaube aber nicht, dass die Fakultät auf den Zug aufspringt. Wenn man an FRIAS und die Exzellenzinitiativen denkt, schätze ich mal, dass man da, zumindest im deutschen Raum, noch komparative Vorteile hätte oder aufbauen könnte. Die Chance besteht aber nicht mehr lange, weil einige wohl mit der Zeit auf diese Idee kommen.

ZG: Sie haben jetzt keine Sekunde darüber nachgedacht eine Karriere in der Wirtschaft selbst anzustreben. Sie würden also auch heute wieder den wissenschaftlichen Weg wählen?

Moment, Moment, ich habe ja mitten in der Habilitation abgebrochen, bin raus in die Praxis, hab mich mit Freunden selbständig gemacht und hab mal auch die reale Welt beschnuppert, und das würde ich heute auch jedem raten. Es ist ja das Problem in Deutschland, dass wir es nach wie vor nicht schaffen, wenn man mal von den technischen Studiengängen absieht, Praxis und Theorie zu verknüpfen. Bei uns ist es doch immer diese Einbahnstraße. Man kommt vom Abitur, geht schnurstraks zur Universität, schließt die Uni gut ab, macht gleich Assistent und geht den einspurigen Weg zum Prof, ohne die Praxis je gesehen zu haben. Wenn es hoch kommt liegen da zwei Praktika dazwischen, aber sonst? Mir wäre es lieber, wir hätten da viel mehr Austausch

ZG: Haben Sie es nie bereut, der Praxis den Rücken zugekehrt zu haben?

Grundsätzlich war ich nicht auf Wissenschaft eingestellt und ich bin auch heute noch in der Praxis aktiv, nur bin ich alles in allem doch froh, dass ich nicht die klassische Managerkarriere gemacht habe. Von meiner Persönlichkeitsstruktur bin ich in der Wissenschaft besser aufgehoben. Ich wäre wahrscheinlich auch kein besonders guter Manager geworden. Da bin ich zu viel Schütze und Einzelkämpfer. Kurz, ich halte mich nicht für eine besonders gute Führungspersönlichkeit. Viele Topmanager halte ich aber auch nicht dafür, das ist oft das Gegenteil dessen was als Ideal in den Büchern steht. Aber noch einmal, wissenschaftliche Karriere per se, die reine Theorie, die reine Wissenschaft, also die abgehoben von der Praxis ist, hat mich nie interessiert. Da kommt schon ein wenig der Betriebswirt durch, der immer ein konkretes Problem sucht. Man sucht eher nach pfiffigen praktischen Lösungen als nach hochtheoretischen Modellen.

ZG: Geben Sie uns doch mal einen Einblick in Ihren Schatz der Praxiserfahrungen.

Ich war mitten in der Habilitation, ungefähr ein bis eineinhalb Jahre vor dem Ende der Habilitation. Es war ein relativ großer Lehrstuhl und da kam eines Tages mal ein ehemaliger Absolvent, der inzwischen kaufmännischer Geschäftsführer des Flughafens in München war. Die Abteilung bestand aus ihm, einer Sekretärin und noch 2-3 Hilfskräften – also kein besonders großer Laden. Und die waren gerade auf dem Sprung aus der öffentlichen Verwaltung hin zu einem eigenständigen kaufmännisch geführten Betrieb der wachsen sollte. Dafür brauchten sie ein theoretisches Konzept – für das Rechnungswesen und so weiter. Wir Assis hatten im Grunde noch keine Ahnung von der Praxis. Ich wusste – wie wohl die meisten – auch nicht, was ein Flughafen eigentlich ist und wie er sein Geld verdient. Aber eines Abends nach ein paar Bier haben wir gesagt, wir probieren es. Also haben wir uns zu dritt richtig reingehängt. Riebel’sche Einzelkostendeckungsbeitragsrechnung, die kompliziertesten Sachen haben wir uns da ausgedacht. Das hat schon Spaß gemacht. Und dann war die Sache fertig und wir haben abgegeben und länger nichts gehört. Irgendwann haben wir nachgefragt, wie unser Konzept angekommen ist. Wir erfuhren, dass es das einzige kreative Konzept war, besser und innovativer als das der Konkurrenz aus der Beratungspraxis. Als sie uns dann angeboten haben das Konzept auch umzusetzen, habe ich zusammen mit einem Kollegen sofort gekündigt und eine GmbH aufgemacht. Wir haben auf einen Schlag ein Auftragsvolumen gehabt, das uns ungefähr 2 1/2 bis 3 Jahre abgesichert hat. Eine sensationelle Startbasis.

ZG: Wir befinden uns jetzt 1973?

1974, glaube ich, ja Größenordnung 74. Unser Chef hat natürlich so große Augen gekriegt, der konnte es nicht fassen, dass man mitten in der Habilitation, also kurz bevor man da die allerhöchsten Weihen hat, wegen der Praxis hinschmeißt. War aber so. Der Erfolg war einfach zu attraktiv. Wir galten nach ganz kurzer Zeit als die Spezialisten für Not-Profit Unternehmen.

ZG: Wie kommt man unter diesen Umständen wieder zurück in die Universität?

Ich habe mich, weil ein guter Freund, der schon Professor war, mich darum gebeten hatte, irgendwann einmal relativ lustlos in Bremen beworben. Ich habe bewusst die Bewerbung zu spät abgegeben. Es hat nichts genutzt, ich bin eingeladen worden. Bremen galt damals – wie allseits bekannt – als ultra links. Bei meinem Auftritt hatte ich das Gefühl man erwartet von mir linientreue linke Positionen in Lehre und Forschung. Ich habe ihnen aber klar gemacht, dass das mit mir nicht zu machen sei. Dementsprechend habe ich mich zufrieden in den Zug gesetzt und gedacht, das war’s. Zwei Tage später, Anruf vom Rektor, würden Sie kommen, wenn Sie einen Ruf kriegen? Ich dachte mir, der Unternehmensberatung wird ein Professorentitel auch nicht schaden, schon war es passiert. Letztlich musste es aber schief gehen. Irgendwann hat dann das Verhältnis mit meinem Partner auch darunter gelitten, dass ich gelichzeitig als Professor tätig war und mich nur noch in Teilzeit um die Firma kümmern konnte. Eineinhalb Jahre habe ich noch einen Höllenjob hingelegt. Jeden Sonntagnachmittag mit dem Auto von München nach Bremen und habe Montag und Dienstag meine gesamten universitären Verpflichtungen erfüllt. Dienstag meistens so zwischen 8 und 9 Uhr abends, manchmal erst später bin ich wieder ins Auto gesprungen, und wieder zurückgefahren. Mittwoch früh wieder am Schreibtisch für die Unternehmensberatung bis Samstagabend, und das ungefähr eineinhalb Jahre lang. Das hält man auch nur durch, wenn man relativ jung ist. Das war schon hart und auch da war es eigentlich ganz gut, dass das mit der Zeit dann vorbei war. Ich hätte eigentlich durchaus in der Praxis bleiben wollen, mir hat es schon gefallen. So ein Erfolg kann unheimlich gut tun. Es gibt aber immer auch riesige Enttäuschungen. Wenn man sich zum Beispiel bei einem Auftrag richtig ins Zeug legt und die wollen davon eigentlich überhaupt nichts hören. Die brauchen nur einen als Blitzableiter, eine externe Institution, die den ganzen Schaden auf sich nimmt und dann damit hinausträgt. Das heißt, die müssen letztlich nur eine Lösung verkaufen, die der Auftraggeber selbst längst schon entwickelt und entschieden hat. Bei solchen Dingen schluckt man fürs erste, weil man anfangs glaubt, die Leute fragen nach einem wegen des guten Rates. Dabei bedeutet Beratung oft die Aufgabe, unbequeme Maßnahmen zu verkaufen.

Fortsetzung folgt

Das Interview führten Johannes Vatter und Wolf von Rotberg.
Ein großer Dank geht an dieser Stelle an Volker Lindenthal!

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