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Geringe erwartete Mehreinnahme – Zum Stand der zweiten Mobilfunkfrequenz-Auktion

Von Daniel Nientiedt

Vor fast zehn Jahren, am 18. August 2000, gab die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post bekannt, dass die Versteigerung von zwölf Frequenzblöcken zur Nutzung durch UMTS-Dienste einen Erlös von insgesamt 50,8 Milliarden Euro (oder 620 Euro je Einwohner) gebracht hatte. Bundesfinanzminister Hans Eichel freute sich damals, dass UMTS für „Unerwartete Mehreinnahme zur Tilgung von Staatsschulden“ stehe1.

Eine Dekade später sind die Staatsschulden um weitere 473 Milliarden Euro in die Höhe geklettert  ̶  die Zeit scheint reif für eine neue Versteigerung von Frequenzblöcken zu sein.  So endete am Freitag in Mainz die dritte Woche der neuen Mobilfunkfrequenz-Auktion. T-Mobile, Vodafone, E-Plus und O2  bieten seit dem 12. April 2010 um eine Reihe von Frequenzen, deren höhere Bandbreiten besonders für den drahtlosen Internetzugang eine wichtige Rolle spielen.

Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, eröffnete die Versteigerung mit den Worten „Deutschland hat eine einmalige Chance, bei der Entwicklung des mobilen Internets die Nase vorne zu haben“2. Aber die Vertreter der anwesenden Mobilfunkanbieter geben sich skeptisch: Sie wollen diesmal ein deutlich disziplinierteres Bietverhalten an den Tag legen. Ein Ergebnis im einstelligen Milliarden-Bereich wird erwartet, derzeit steht die Auktion bei gerade einmal 2,58 Milliarden Euro3.

Ist es die quälend langsame Verbreitung von UMTS in den Jahren seit der ersten Auktion, die die Mobilfunkkonzerne vorsichtig werden lässt? Wir erinnern uns: Für Endkunden wurden zwar bereits seit 2004 Produkte angeboten, die das neue Datenvolumen nutzen sollten, doch überzogene Verbindungspreise (die die Anbieter offiziell mit dem Rekordergebnis der Auktion begründeten) verhinderten zunächst die Verbreitung. Heute erfährt UMTS eine gewisse Nutzung durch PC-Karten für Notebooks, außerdem nutzt ein kleiner Teil der Mobiltelefone (Smartphones, derzeit rund 13% der deutschen Mobiltelefone4) die Technik für mobiles Internet und standortabhängige Dienste.

Doch der schleppende Beginn der mobilen Ära scheint nun vorbei zu sein. Wenn die Märkte in den USA und Asien ein Indikator für die zukünftige Entwicklung in Deutschland sind, so stehen wir vor umwälzenden technologischen Veränderungen  ̶  und mobiles Internet wird im Zentrum dieses Umbruchs stehen. Warum also die Zurückhaltung?

„Digitale Dividende“ für die Peripherie

Die tatsächliche Erklärung dürfte eher eine politische sein: Der wahre Preis der Frequenzblöcke umfasst nämlich auch weitgehende Infrastruktur-Investitionen, zu denen die Bundesregierung die Anbieter im Nachgang der Auktion verpflichten wird.

Die mangelhafte Internet-Infrastruktur außerhalb der deutschen Ballungsräume ist schon lange ein Politikum, doch im März 2009 wurde der Druck von Öffentlichkeit und IT-Branchenvertretern offenbar zu groß: Das Kabinett verabschiedete die „Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung“, die im Mai auch den Bundesrat passierte und jene „weißen Flecken“ in der Internet-Breitbandversorgung schließen soll. Ein Feldversuch in Baden-Württemberg belegte dann im Sommer 2009, dass die Internet-Breitbandversorgung ländlicher Gebiete per Funk möglich ist5 ̶  unter Ausnutzung der neuen Frequenzblöcke, die nun zur Auktion stehen.

Solche Versorgungsauflagen sollen insbesondere mit dem attraktivsten Teil der Frequenzblöcke verbunden sein – sie liegen im 800-MHz-Bereich und werden „Digitale Dividende“ genannt. Es handelt sich um (inzwischen) ungenutzte TV-Kanäle, die zur Nutzung durch Mobilfunkanbieter umgewidmet werden sollen. Was den Bereich besonders attraktiv macht, ist die Tatsache, dass er große Reichweiten ermöglicht und weniger Mobilfunktürme errichtet werden müssen. Die „Digitale Dividende“ hat damit zum Beispiel auch das Potential, das schlecht ausgebaute E-Plus-Netz vor dem Fall in die Bedeutungslosigkeit zu bewahren: Das Unternehmen weiß, dass es seine Netzkapazitäten im Datenbereich dringend ausbauen muss, wenn es das rasch an Bedeutung gewinnende Smartphone-Segment nicht seinen drei Konkurrenten überlassen möchte6.

Strukturförderung statt Staatseinnahmen

Solche Pläne stehen natürlich keinesfalls im Gegensatz zum Ziel der Bundesregierung, die flächendeckende Versorgung mit Breitband-Internet voranzutreiben. Die Verpflichtung zum Ausbau der Netze wird Teil der vertraglichen Vereinbarungen mit den Siegern der Auktion in den jeweiligen Bereichen sein  ̶  bis spätestens 2016 muss die Versorgung von 80% der Haushalte in einer Reihe von Gebieten erfolgt sein, die Bundesnetzagentur rechnet aber mit einer schnelleren Umsetzung der Auflagen, „aus eigenem Interesse“ der Mobilfunkanbieter7.

Die Kalkulation der Bundesregierung könnte aufgehen:  Niedrigen Einnahmen bei der Vergabe der Frequenzblöcke dürfte eine nicht unerhebliche Investition der Mobilfunkanbieter in die deutsche IT-Infrastruktur entgegen stehen  ̶  aber nur, wenn die Versorgungsauflagen des Bundes eindeutig geregelt sind. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Anbieter den neuen Markt mit Hilfe staatlicher Subventionen erschließen dürfen.