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Prof. Eggert im Gespräch über die Ineffizienz staatlichen Handelns, die Bezahlung von Professoren und die Berufsaussichten eines Bachelors VWL

ZG: Sehr geehrter Herr Eggert, Sie forschen unter anderem über den Zusammenhang von Systemwettbewerb, Steuern und Migration. Nach unseren Informationen sind die Grundsteuersätze in Freiburg wesentlich höher als in Ihrer früheren Stadt Paderborn. Was hat diesen Nachteil kompensiert?

Eggert: Freiburg ist eine wunderschöne Stadt in einer tollen Region. Hinzu kommt aber auch die Mentalität der Menschen, die ich als sehr angenehm empfinde. Das gilt im Übrigen auch für die Kollegen und Studenten hier an der Uni. Ich freue mich sehr, dass ich hier tätig sein darf.


ZG: Kommen wir vom lieblichen Breisgau zu einem Stichwort, das für die Mehrzahl der Menschen negativ konnotiert ist: Steuern. Was für ein Gefühl haben Sie als Finanzwissenschaftler, wenn Sie eine Steuererklärung bearbeiten?

Eggert: Das ist in der Tat eines der schlimmsten Themen, jedes Frühjahr.

ZG: Was ist so schlimm dabei? Die Bürokratie oder die finanzielle Last der Besteuerung?

Eggert: Mich belastet alles. Die Steuererklärung ist naturgemäß die Sache, die einem nicht am meisten Spaß macht. Die finanzielle Komponente tut aber auch weh, wobei die Einkommensmindereinnahmen in meinem Fall sowieso auf meine Familie überwälzt werden. Ich nehme mir normalerweise, was ich brauche und – naja – was ich brauche entscheidet die Familie (lacht).

ZG: Die Bereitschaft Steuern zu entrichten hängt maßgeblich von der Wahrnehmung ab, wie effizient diese Mittel eingesetzt werden. Stehen Sie als neues Mitglied der Freiburger Universität der staatlichen Effizienz ähnlich skeptisch gegenüber wie es die Tradition dieser Hallen vorgibt?

Eggert: Damit begeben wir uns ganz weit in das Feld, das mich brennend interessiert. Der Effizienzbegriff ist für uns Ökonomen ja eine Art Benchmark und versucht ein Utopia zu charakterisieren. Das Konzept der Pareto-Effizienz kennen wir dabei als ein theoretisches Merkmal effizienter Prozesse. Die Frage der politischen Umsetzbarkeit ist jedoch etwas vollkommen anderes, obgleich auch sie sich wiederum anhand ökonomischer Mechanismen erklären lässt. Klar ist, auch wenn wir uns in Gedanken und Modellen ein Utopia, eine bessere Welt vorstellen können, ändert dies an den realen Ineffizienzen, die etwa im Zuge von politischen Prozessen entstehen, wenig. Insofern ist meine Antwort vollkommen konform mit der Freiburger Tradition.

ZG: Die öffentliche Hand ist und bleibt relativ verschwenderisch?

Eggert: Die Kernfrage lautet nicht, ist der Staat effizient, sondern welches zweitbeste Design ist die Politik und speziell die Steuerpolitik zur weitgehenden Verminderung bestehender Ineffizienzen in der Lage zu bauen?

ZG: Unsere Frage ist, sind sie mit den gegenwärtigen Second- (bzw. Third-, Forth-…) Best Lösungen im Groben zufrieden? Oder anders: Stellen sie sich vor, Sie hätten eine Milliarde Euro, die sie entweder der Bundesregierung oder anteilig den Bürgern zukommen lassen können. Wem würden Sie das Geld geben?

Eggert: Lassen Sie mich so antworten: Selbst im Bildungswesen, einem Bereich der eigentlich als unterfinanziert gilt, bin ich nicht davon überzeugt, dass die Mittel hervorragend verwendet werden. Wir erleben auch hier Evaluations- und Kontrollprobleme auf Seiten der Politik. Selbst wenn man annimmt, dass Politiker am Wohl – wie auch immer das definiert ist – des nicht existenten repräsentativen Agenten orientiert handeln, müssen sie immer auf bestimmte Signale oder Agenten hören. Sie müssen versuchen, diese Signale zu bewerten um auf Qualität zu schließen. Das zeigt, selbst wenn Sie uneigennützige Politiker unterstellen, sind diese schrecklich unvollständig informiert. Dabei wird vor allem der laut Rufende gehört, ohne dass klar ist, ob diese Person wirklich qualifiziert ist.

ZG: Sie sprechen sich für eine Privatisierung des Bildungswesens aus?

Eggert: Nicht zwangsläufig, ich begründe lediglich meine Skepsis gegenüber der Effizienz staatlicher Ressourcenverwendung. Stellen Sie sich vor, sie wollen benachteiligte Gruppen, z.B. Kinder, die in einem nicht so förderaktiven Elternhaus aufwachsen, gezielt fördern. Gleichzeitig haben Sie aber keine Ahnung, wie man die Qualität der einzelnen Weiterbildungsmaßnahmen evaluieren kann …

ZG: Aber genau das passiert doch zunehmend. Die Evaluation politischer Maßnahmen hat in Deutschland ja gerade erst begonnen …

Eggert: In der Regel fehlt der politische Wille solche Evaluationen ernsthaft durchzuführen.

ZG: Zurück zur Ausgangsfrage: Sie würden das Geld also den Bürgern geben?

Eggert: Ich bin jedenfalls dafür, dass man nicht unendlich viel Geld durch staatliche Systeme pumpt. Ansonsten müsste ich schon wissen, wofür das Geld genau verwendet wird, um ihre Frage zu beantworten.

ZG: Sie machen es uns nicht leicht. Fassen wir die Frage in einen konkreten Vorschlag: Was halten Sie davon die Erbschaftssteuer abzuschaffen und die öffentlichen Bildungsausgaben flächendeckend zu kürzen?

Eggert: Objektiv betrachtet bietet sich Erbschaftssteuer als die Steuerquelle der Zukunft an. Die Vermögensakkumulation in Teilen der Gesellschaft ist beträchtlich.

ZG: Betrachtet man die Demografie wird zudem deutlich, dass Erbschaften einen immer größeren Anteil am Lebenszykluseinkommen der jüngeren Generationen ausmachen. Heute führt die Erbschaftsteuer nicht einmal zu einem Prozent des gesamten Steueraufkommens. Wie groß könnte dieser Anteil im Jahr 2050 sein?

Eggert: Zwangsläufig sehr viel höher denn ich fürchte, dass meine Generation in 2050 der Gesellschaft auf der Tasche liegen wird.

ZG: Bleiben wir bei dieser dynamischen Perspektive. Neben der theoretischen Chance auf eine stärkere Partizipation der Öffentlichkeit an privaten Vermögenstransfers, gibt es auch zahlreiche düstere Wolken am Himmel der öffentlichen Finanzen. Die Schuldenquote hat einen Höchststand erreicht. Die Alterung setzt den sozialen Sicherungssystemen zu. Gleichzeitig verschiebt der intensive Steuerwettbewerb die Laffer-Kurven seit Jahren nach links. Müssen Staaten bei solchen Entwicklungen nicht fast schon automatisch effizienter werden?

Eggert: (lacht) Nein, ich glaube nicht, dass das so einfach geht. Der These, dass durch den Steuerwettbewerb die öffentlichen Quellen versiegen und die Staaten plötzlich effizienter mit den Haushaltsmitteln hantieren, liegt die Annahme zugrunde, dass bestimmte Gruppen in der Bevölkerung daran gehindert werden, den Ausgabendruck, der sie belastet, an andere weiterzugeben. Oder andersherum: Es werden weiterhin Interessengruppen in der Gesellschaft versuchen, ihre Pfründe zu wahren. Wenn es stimmt, dass Steuerwettbewerb existiert, wissen wir nur, dass die Staatseinnahmen sinken werden, aber wir wissen noch nicht, ob und wer am meisten davon verliert.

ZG: Die derzeit geplanten Kürzungen, sei es bei militärischen Ausgaben oder Subventionen, entsprechen doch durchaus den Vorstellungen der ökonomischen Zunft …

Eggert: Hier sollte man noch etwas abwarten. Denken Sie an das von Ökonomen präferierte Konzept der Elastizitäten. Wenn die öffentlichen Einnahmen aufgrund des Steuerwettbewerbs oder anderer Restriktionen um ein Prozent zurückgehen, werden nicht zwangsläufig die ineffizientesten Ausgaben gekürzt. Ich würde behaupten, dass diejenigen, die jetzt schon in der Lobbyarbeit tief involviert sind, gerade keinen Nachteil haben werden verglichen mit denjenigen, die keine entwickelten Einflusskanäle besitzen. Kurz: Es ändert sich nicht viel.

ZG: Also gibt es keine Zähmung des Leviathan durch konkurrierende Steuersysteme?

Eggert: Nicht hinsichtlich der Effizienz öffentlicher Aktivitäten. Wenn wir eines wissen ist es, dass starke Interessengruppen sich durchsetzen werden, was in einer Demokratie ja eigentlich auch genau so sein soll. Das führt aber zu der Frage, ob der Steuerwettbewerb der beste Mechanismus ist, um günstige Reformbewegung in einzelnen Ländern auszulösen. Mein Eindruck ist eher, dass der Steuerwettbewerb die bestehenden Fronten verhärtet und diejenigen noch mehr Macht erhalten, die ohnehin im Besitz von Ressourcen sind.

ZG: In Ordnung, gehen wir davon aus, dass eine Verknappung öffentlicher Mittel nicht zu mehr Effizienz führt. Welche Faktoren würden Sie nennen, die langfristig doch zu einem effizienteren Umgang mit Steuermitteln führen könnten?

Eggert: Auf diese Frage gibt es zahlreiche Antworten. Ich versuche eine sehr grundlegende zu geben. Wir haben in Deutschland nach wie vor eine sehr lebendige Demokratie und dort liegt letztlich auch die Grundlage für einen gut funktionierenden öffentlichen Apparat. Es geht darum persönliche Freiheiten zu erhalten und zu schaffen. Das hat wie so viele ökonomische Themen auch etwas mit Chancen zu tun, auch in frühen Jahren der Kindheit. Wenn Kindern eine Teilhabe ermöglicht wird, sodass sie die gebotenen Chancen nutzen, werden sie auch in späteren Jahren eher an demokratischen Prozessen partizipieren und die Regeln so setzen, dass die Gesellschaft eine freiheitliche bleibt. Die individuelle Freiheit ist somit Grundvoraussetzung für eine gesellschaftliche Freiheit.

ZG: Je freier eine Gesellschaft, desto besser wird der Politikbetrieb?

Eggert: Die Frage ist doch, wie kommt eine „gute Reform“ zustande? Ich glaube nicht, dass Politiker als outside-enforcer eine gute ökonomische Ordnung designen. Es gibt wie immer ein Kontrollproblem. Und gerade weil es eine Kontrolle der Politik braucht, denke ich, dass die individuellen Präferenzen so stark wie möglich berücksichtigt werden müssen. So schlecht eine Aggregation dieser Präferenzen durch Wahlen auch sein mag – sie gewährleistet am besten, dass die Politik ihre Mittel im Interesse der Bürger verwendet.

ZG: Mehr direkte Demokratie wagen?

Eggert: Je größer und umfangreicher die Partizipationsmöglichkeiten sind, desto besser wird die Kontrollfunktion ausgeübt. Dabei ist die Anzahl der Wahltermine möglicherweise weniger entscheidend als die Art und Weise wie eine öffentliche Diskussion verläuft. Auch wenn Ökonomen die Weisheit nicht mit Löffeln gegessen haben und wir wissen, dass alle unsere Modelle nur Ausschnitte der Realität zeigen, kommt ihnen vor diesem Hintergrund eine bedeutende Rolle zu. Wir haben die Aufgabe die entsprechenden Informationen bereitzustellen, Zusammenhänge weitestgehend aufzuklären und darzustellen. Je mehr Menschen zum Beispiel wissen, was eine Schuldenbremse ist und wie sie wirkt, umso weniger Spielräume hat die Politik ein solches Instrument falsch einzusetzen.

ZG: In diesem Fall ist das doch nicht besonders kompliziert. Eine Schuldenbremse bremst die Neuverschuldung.

Eggert: Wenn sie das Spiel von hinten lösen, werden sie vielleicht zu gänzlich anderen Ergebnissen kommen.

ZG: Könnten Sie das für uns ausführen?

Eggert: Nun, für mich sieht es so aus als würde man zu oft Regel und Mechanismus verwechseln. Das ist ein Problem der Implementierbarkeit von Regeln die sich hoffentlich souveräne Menschen selbst auferlegen. Das soll hier reichen, denn schließlich kann ich das Ergebnis nicht vorhersehen, denn ich bin kein Prophet, und die Regel ist da. Vielleicht wird die Regel durch eine glücklich wirtschaftliche Entwicklung stabil bleiben. Ich wills zum Wohl des Grundgesetzes hoffen. Das kann ich aber nur hoffen und das macht mich betrübt, denn das Grundgesetz ist ein Eckpfeiler.

ZG: Fassen wir zusammen. Individuelle Freiheit führt zu gesellschaftlicher Freiheit und somit zu einem lebendigen, aufgeklärten und demokratischen Diskurs. Die Qualität des Diskurses ermöglicht schließlich eine Kontrollfunktion und führt auf diesem Wege zu „guten Reformen“. Das klingt als hätten Sie mehr soziologische und politikwissenschaftliche Studien durchgeführt als ökonomische.

Gibt es aber nicht auch sehr viel pragmatischere Dinge, an denen man Veränderungen vornehmen könnte? Ihr Kollege Giacomo Corneo vertritt die Ansicht, dass Staatsbedienstete höherer Ebenen verglichen mit der freien Wirtschaft zu schlecht bezahlt sind. Folglich kommt es zu einer fatalen Fehlallokation von Humankapital.

Eggert: (lacht) Natürlich stimmt das! Gerade Professorengehälter sind viel zu niedrig.

ZG: Im ernst, könnte eine höhere Besoldung nicht zu anderen Karriereverläufen führen und die Effizienz staatlicher Aktivität erhöhen?

Eggert: In bestimmten Jobs ist die Leistung nicht einfach messbar. Auch die Fokussierung auf Outputvariablen halte ich für Humbug. Sie verzerren nur Entscheidungen, denken Sie nur an die Verhaltenssteuerung durch axiomatische Kennzahlensysteme, die einen Teil der Finanzkrise erklärt.

ZG: Das bedeutet, dass man alles daran setzen muss, gleich die Richtigen einzustellen.

Eggert: Sicher kann man die Besoldungsfrage nicht ganz ignorieren. Es ist offensichtlich, dass meine Familie rebellieren würde, wenn sie nicht von dem Salär leben könnte. Unterschiede in der Bezahlung haben sicher auch Folgen auf die Anstrengung, die eine Person unternimmt. In unserer Gesellschaft spiegelt sich die Wertschätzung der Arbeitsleistung ganz erheblich im Verkaufspreis wieder. Die Frage ist, ob Sie einen gut verdienenden Professor oder vielleicht ausgezeichnet belohnten Staatssekretär oder einen Manager durch ein höheres Salär entscheidend motivieren können. Außerdem müssen sie sich fragen, ob sie in der Konsequenz solcher Maßnahmen auch Leute in den jeweiligen Positionen haben wollen, die um jede Minute feilschend nur an Bonuszahlungen denken. Ich denke es ist wichtig die Leute zu selektieren, die der Auffassung sind dass die Freiheiten, die man als Professor hat entscheidender sind als ein Spitzensalär.

ZG: Veränderungen sind im Kern also nur über Neueinstellungen möglich? Für die Fakultät hieße dies, volle Konzentration auf die Berufungsverfahren!

Eggert: Korrekt. Berufungen können eine Fakultät über Jahre und Jahrzehnte prägen. Ihnen kommt eine entscheidende Rolle zu.

ZG: Wenn wir schon bei der öffentlichen Institution der Universität angekommen sind. Lassen Sie uns tiefer in die Debatte um die Hochschulpolitik eintauchen. Gegenüber dem Diplom müssen im Bachelor zwei Jahre eingespart werden. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Qualifikationen, die ein Bachelor-Absolvent der VWL nach drei Jahren mitnehmen sollte bzw. realistischerweise mitnehmen kann?

Eggert: Ich denke, nach drei Jahren sollte man in der Lage sein, grundlegende Fachliteratur zu verstehen. Man sollte Methoden an die Hand bekommen haben, um einfache Politikanalysen durchführen zu können. Im besten Fall hat man aber auch begriffen, dass man unter Umständen starke Annahmen getroffen hat, die mitunter kritisch einzuordnen sind.

Darüber hinaus sollten Studierende die Bereitschaft entwickeln, sich selbstständig in ein bestimmtes Themengebiet einzuarbeiten, wenn man im Beruf merkt, dass es eine bestimmte Spezialisierung braucht, die man vielleicht noch nicht hat. Und schließlich sollte man quantitative Methoden für ein bestimmtes Berufsziel – je nach Spezialisierung – zügig anwenden können.

ZG: Sie hatten vorhin eine ganz wesentliche Kompetenz von Ökonomen genannt, nämlich sich in den öffentlichen Diskurs einzuschalten und dort zu gesellschaftspolitischen Fragen fundiert Stellung nehmen zu können.

Eggert: Ich wollte das nicht als erstes nennen, weil wir von berufsqualifizierenden Kompetenzen gesprochen haben. Die VWL ist in erster Linie ja keine Ausbildung zur direkten Verbesserung der Volksgesundheit. Das trifft auch für die Physik oder für die Ingenieurswissenschaften nicht zu. Trotzdem kommt es zu positiven Externalitäten.

ZG: Reichen die Methodenkompetenzen aus, um die Kommunikationskompetenz in öffentlichen Diskursen herzustellen?

Eggert: Das ist möglicherweise nicht immer der Fall. Aber wenn Sie diese drei Jahre auch noch nehmen würden, um Kommunikationskompetenz herzustellen, wo wollen Sie dann aufhören? Ich denke, relativ viele Leute wählen das VWL-Studium wirklich bewusst. Ich hoffe darauf, dass immer auch zahlreiche Studierende wissen worauf sie sich einlassen und gewisse Sozialkompetenzen mitbringen. Dazu gehört auch die Kommunikationsfähigkeit, die dann durch Seminare und Kurse auf fachlicher Ebene weiterentwickelt wird.

ZG: Haben Sie sich bereits ein Bild gemacht, wo die Freiburger VWL besondere Schwerpunkte setzen kann?

Eggert: Wir haben eine ganze Reihe von sehr guten Leuten hier in Freiburg, die aufbauen auf einer sehr guten Tradition. Eine Freiburger Besonderheit ist die Verbindung zwischen Theorie und Praxis. Erst wenn es gelingt, theoriebasierte Implikationen in die Praxis zu tragen hat VWL einen Sinn. Wir haben Standorte wie Bonn – um nur einen zu nennen – die sehr stark in der Theorie sind und ausgezeichnete Erfolge haben und vielleicht andere, die in der Praxisorientierung vorgehen. Hier in Freiburg haben wir einen Standort, dessen Außenkommunikation bislang eine entscheidende Rolle gespielt hat für die Gesellschaft.

ZG: Die Verbindung von Theorie und Praxis wird in Ihren eigenen Lehrveranstaltungen vermutlich praktiziert. Was ist Ihnen darüber hinaus wichtig, Ihren Studierenden mitzugeben?

Eggert: Ob es immer gelingt, Theorie und Praxis zusammenzuführen weiß ich nicht. Eines der wichtigen Ziele ist, dass die Studierenden sehen, wie viel Spaß es macht, sich in einfachen Welten zu bewegen, wie sie mathematische Modelle bieten. Man kann ein Problem sehr stark abstrahieren und kommt dann zum Teil zu überraschenden Lösungen. Ein Modell bleibt ein Modell, aber man durchschaut die Mechanismen. Die Welt wird in formale Strukturen überführt und man weiß genau was passiert. Und dann wagt man sich in den „Sumpf“ der Realität. Die Theorie dient als Schwimmring. Er wird den Sumpf nie ganz trocken legen und gibt doch Halt.

ZG: Nehmen wir einmal an, Sie sind Bachelorstudent der VWL und könnten oder wollten keinen Master an das Bachelorstudium anhängen. Wo würden Sie sich auf dem Arbeitsmarkt bewerben und wie würden Sie Ihre Chancen einschätzen?

Eggert: (zögert) Beispielsweise bei einer Unternehmensberatung.

ZG: Meinen Sie, Sie kommen mit dem Bachelor dort weit?

Eggert: Vielleicht als Filialleiter eines Supermarktes oder als Sachbearbeiter in einer gesetzlichen Krankenkasse. Das sind wichtige Jobs.

ZG: Eine letzte Frage. Die Finanzkrise hat den Ruf nach einer ethischeren Ausrichtung der Wirtschaftswissenschaften laut werden lassen. Manche Studien gehen sogar von einer Reduktion der Kooperationsbereitschaft in sozialen Dilemmata durch das VWL-Studiums aus. Welche Anpassungen im VWL-Studium würden Sie ggf. vorschlagen?

Eggert: Also ich glaube noch nicht einmal, dass der Befund stimmt. Volkswirte kommen manchmal technokratisch rüber, das ist klar. Meistens weisen sie auf harte Zielkonflikte hin. Das klingt dann immer sehr sarkastisch. Manche fühlen sich durch Analysen vielleicht auf den Fuß getreten und sehen, dass es ihre eigene Schuld ist, wo wir landen. Oder sie finden es schlimm, weil wir keinen haben, der schuldig ist obwohl das Ergebnis nicht überzeugt. Das ist immer sehr steril und technokratisch. Auf der anderen Seite steht die Wohlfahrtsökonomie. Sie wirkt irreal und utopisch. Egal was Sie machen. Entweder sind Sie sarkastisch oder utopisch. Sie kommen auf jeden Fall von der menschlichen Seite als nicht angenehmer Bursche daher.

ZG: Herr Eggert, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führten Johannes Vatter und Christoph Oberlack

Zehn kurze Antworten von Herrn Prof. Eggert:

Frage: Die deutsche Staatsquote sollte gesenkt werden.

Antwort: Das ist tendenziell richtig.

F Die Globalisierung ist ein Segen.

A Das ist tendenziell richtig.

F Der Klimawandel wird in seiner Bedeutung überschätzt.

A Das ist tendenziell richtig.

F Die gegenwärtigen Krisen werden in fünf Jahren kaum noch ein Thema sein.

A Die Krisen schon, aber die Strukturen werden weiterhin ein Thema sein.

F Die Kopfpauschale ist wünschenswert.

A Als Konzept bestimmt überdenkenswert

F Sobald sich die konjunkturelle Lage verbessert hat, sind Steuersenkungen sinnvoll.

A Man kann sich über Steuererhöhungen oder -senkungen nicht unterhalten, ohne auf die Ausgabenseite zu kucken. Das hat etwas mit dem angeklungenen Effizienzgedanken zu tun.


F Der Ankauf griechischer Staatsanleihen durch die EZB war richtig.

A Zu dem Zeitpunkt war er die unvermeidliche Folge einer verfehlten dezentralen Wirtschaftspolitik.

F Die deutschen Kommunen sind unterfinanziert.

A Das ist so sicher richtig. Die entscheidende Frage ist nur, was dazu geführt, also die Frage ist nach der Ausgabenseite.

F Materielles Wachstum muss weiterhin Ziel der Wirtschaftspolitik sein.

A Ja, da gehe ich fest davon aus.

F Das Handeln von Menschen ist im Kern von monetären Motiven bestimmt.

A Von Ressourcenbedingungen bestimmt, ja. Aber nicht nur aufs Geld bezogen.

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F Keynes oder Friedman

A Keynes

F Beethoven oder Beatles

A Beatles

F Steinbrück oder Schäuble

A Steinbrück hatte ohne UMTS-Auktion einen ausgeglichenen Haushalt hingelegt

F Auto oder Zug

A Zug

F Arbeit oder Freizeit

A Arbeit, die Spaß macht

F Mac oder Microsoft

A Microsoft

F Wein oder Sport

A Wein, obwohl, machen Sie lieber Sport

F Anleihen oder Optionen

A Anleihen

F Familie oder Karriere

A Familie

F Konsumieren oder Sparen

A Sparen um zu konsumieren